Queer. Ein Begriff, der immer häufiger anstelle von LGBTQiA* verwendet wird. Vor allem, weil dieser sich, neben der Sexualität, auch auf die verschiedenen Geschlechtsidentitäten bezieht. Also er fasst zwei, eigentlich unterschiedliche Dinge, zu einem Begriff zusammen.
Auch ich schreibe oft „Die Queere Community“, anstelle des Buchstabensalats. Doch immer häufiger werden Aussagen laut, wie z. B. „Ich bin nicht Queer sondern xxx“. Jüngst Alice Weidel und Jens Spahn. Ein Großteil der Mitglieder der „Queeren Community“ sind schockiert und echauffieren sich sehr über diese Distanzierungen. Aber warum eigentlich?
ACHTUNG: Die politischen Neigungen und Zugehörigkeiten spielen in dem Zusammenhang keine Rolle. Es waren eben nur prominente Beispiele zweier (offenkundig) homosexuell lebender Menschen.
Auch im Folgenden werden die politischen Ansichten vollständig ignoriert.
Schauen wir hinter diese Aufregung
Diese Aufregung rührt vermutlich daher, dass die queere Community der Auffassung ist, dass Menschen, welche, nach Auffassung dieser Community, dazu gehören müssten, auch dazuzugehören haben. Es besteht also eine Grundhaltung darin, dass wir „alle eins“ sind.
Gerade in den Kommentarspalten wurden, wenn man mal die politischen Kommentare rausfiltert, Sätze geschrieben wie „Sie gehören ja trotzdem dazu“. Gehören sie das? Dazu später mehr.
Ich führe häufiger Diskussionen zu dem Thema Queer und die Gesellschaft und habe mir schon sehr viele Meinungen angehört zum Thema „Queere Zugehörigkeit“. Und die gehen teilweise weit auseinander. Es gibt viele Menschen, die der Meinung sind, dass Geschlechtsidentitäten nicht mit sexuellen Ausrichtungen unter einem Begriff geführt werden sollten.
Andere wiederum finden nicht, dass es das Gemeinschaftsgefühl so stärkt, wie es sich diese Community einbildet. Diesen Punkt fand ich unter einem bestimmten Gesichtspunkt sogar sehr faszinierend.
Es gibt aber auch Personen, denen das auch schlichtweg egal ist. Es ist irrelevant und oft fehlt das Verständnis dafür, warum darum so ein Aufhebens gemacht wird. Es gibt also viele Meinungen, welche sehr mit der allgemeingültigen Empfindung kollidieren. Teilweise so sehr, dass sich die Pro-Queer und Anti-Queer (Im Sinne des Community-Gedankens) Personen direkt an die Gurgel gehen. Und das zeigt genau das Problem auf, was viele Kritiker anmerken.
Der geheuchelte Community Gedanke
Von den Kritikern habe ich genau das am meisten gehört und das gebe ich auch wertfrei bei entsprechenden Artikeln wieder. Ich habe z. B. vor kurzem unter dem beitrag von queer.de zum Thema Jens Spahn folgendes geschrieben:
Mal etwas zum nachdenken:
Warum sollte man sich zu einer Gruppierung zugehörig fühlen, die Profi ist im Ausschließen von Gleichgesinnten? Und ich meine nicht mal wegen politischer Gesinnung o. Ä. .
Das Zusammengehörigkeitsgefühl bröckelt schon sein den 2000ern gewaltig. Es werden Leute aus queeren Gruppen ausgeschlossen (oder halt nicht mit eingebunden) weil sie einen Fetisch nicht teilen, nicht in die aktuelle Attraktivitätsnorm passen, einen anderen (sogar extravaganten) Stil haben und noch viele weitere Gründe.
Ich kenne einige Schwule, die dem Begriff Queer unter anderem wegen o. g. Gründe eher negativ gegenüber stehen.
Denn die Queere Gemeinde ist sehr erfahren damit, die eigenen Leute rigoros auszugrenzen oder sogar zu mobben. Alles schon erlebt.
Na? Kommt euch das bekannt vor? Das ist das Problem, was ich auch schon seit Jahren in unserer Community immer wieder anprangere. Nur meist halt ausführlicher. Ich muss gerade aufpassen, bis zum eigenen Abschnitt, nicht schon wertend zu werden. Aber wenn ich mir sowohl meine Arbeit hier, meine persönlichen Erlebnisse, sowie die Informationen von Freunden und Bekannten zu dem Thema Community, anschaue, ist generell was dran.
Und es gibt noch etwas, an was sich viele stören:
Der Zugehörigkeitszwang
Egal ob schwul, lesbisch oder trans*: Viele Menschen fühlen sich auch unter Druck gesetzt, zu dieser Community gehören zu müssen. Und das Gefühl kann ich tatsächlich auch nachvollziehen. Wenn man sich die Kommentare durchliest, und Leute schreiben „Ich identifiziere mich nicht als queer“ werden manchmal richtige Debatten gestartet.
Es ist irgendwie, als würde man als Schwuler sich plötzlich mit einer Frau sexuell einlassen und alle zeigen mit dem Finger auf einen mit „WiE kAnNsT dU nUr!!!1111elf“.
Am Ende wurden viele Schubladen (*holt tief luft* Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender, Queer, Intersexual und asexual und das + dient als Ergänzung) zu einem großen Schrank gemacht und man will, das jeder nur noch diesen Schrank nutzt, der immer voller wird.
Also das Q in LGTBQiA+ wird inzwischen als Universalbegriff verwendet, der z. B. auch non binäre Personen inkludiert. Es wird, außer von Leuten, die es genauso sehen, kaum noch akzeptiert, wenn man sich davon abgrenzt. Aber …
Muss das?
Kommen wir zum ersten Teil meiner Meinung. Ich hab auch unter dem queer.de Beitrag geschrieben, dass ich noch nie darüber nachgedacht habe, ob ich mich der queeren Community zugehörig fühle oder mich sogar als queer bezeichnen würde.
Ich kann es nachvollziehen, wenn jemand der mehrere Kategorien abdeckt (zum Beispiel trans ftm, schwul (romantisch) und asexuell), einen einzelnen Begriff zu verwenden. Aber ich stelle mir trotzdem eine Frage:
Muss ich einen Begriff verwenden, der für so viele verschiedene Menschengruppen steht, obwohl mich selbst direkt nur eine betrifft? Muss ich mich als queer identifizieren, weil die Mehrheit das tut?
Klar. Ich bin immer Pro-Sprache. Also Sprache entwickelt sich und ich verwende Begrifflichkeiten auch. Habe ich ja oben schon geschrieben. Und / Oder ich gebe das wieder, was ich (zum Teil) in meiner Umgebung mitkriege, und teile das auch entsprechend mit.
Aber bedeutet das, dass ich mich auch identifizieren muss als queere Person? Nein. Muss ich nicht. Ich konnte mit dem Begriff „Queer“ selbst nie was anfangen. Und auch ich identifiziere mich einfach als schwuler Mann. Und nicht als queer.
Und was mich stört ist, dass sich die queere Community von solchen Aussagen wie dieser angegriffen fühlt. Warum? Was tut euch diese Aussage? Genau. Nichts.
Zum Schluss
Ich bin generell der Meinung, dass wir aufhören sollten, uns gegenseitig in Schubladen drücken zu wollen. Menschen. Das sind wir. Egal welchen Geschlechts, welcher Sexualtität, welcher Herkunft oder welche politische Einstellungen. Wir sind alle Menschen (über Menschlichkeit lässt sich natürlich streiten). Und sollten uns auch als solche sehen, und respektieren.
Natürlich sollten wir weiter für unsere Rechte kämpfen. Gerne auch unter dem Begriff queer. Is mir Jacke wie Hose. Aber alleine diese Debatte zeigt sehr gut, wie gut wir alle darin sein können, uns gegenseitig auszuschließen oder anzugreifen.
Also ich kann nur sagen, dass ich die Kritiker, bzgl. der Diskriminierung und des Ausschlusses, durchaus recht haben. Man möchte vielleicht nicht als Teil einer solchen Community betrachtet werden.
Genauso wie es Charaktere in der queeren Community gibt, mit denen man sich nicht identifizieren möchte oder identifiziert werden möchte, die meinen, dass sie froh sind, über jedes weiße Gesicht was Disney austauscht gegen eine farbige Person. Das sind Momente, an denen ich mich sogar fremdschäme. Ich empfinde die Aussage schon fast rassistisch. Vor allem wenn man bedenkt, dass diese Person selbst als „Weiß“ zu zählen ist. Aber gut. Das ist ein anderes Thema. Aber es passte gerade gut in diesen Vergleich.
Warum es passte? Dieser Charakter verteufelt andere für ihre Meinungen, betrachtet sich selbst als queer (ally maybe?) und trifft Aussagen, die keine „queer“ geltende Person treffen würde, die schonmal wirkliche Probleme mit Ausgrenzung oder Diskriminierung hatte.
Ich wünschte mir, dass man es akzeptieren würde, ob jemand sich als queer identifiziert oder eben halt nicht, statt Fässer aufzumachen und sich gegenseitig nieder zu machen. Meine Freunde identifizieren sich überwiegend als queer. Und das ist super. Ich identifiziere mich als schwuler, demisexueller, Cis-Mann mit ein paar Macken, Fetischen und Vorlieben, der sich eben nicht als queer identifizieren lassen möchte. Und das sollte auch akzeptiert werden.
Also esst nen Keks und lasst die Menschen so leben, wie sie wollen (Solange sie andere nicht böswillig verletzen oder diskriminieren).
Euer Gerry